Retter des Feuerschatzes
Faszination zwischen Maloche, Motor und Ofen: Die alte Ziegelei Pape
Man könnte sagen: Der Ofen ist aus. Schon lange, denn die Ziegelei in Bevern ist ein Relikt aus vergangener Zeit. Ein historischer Schatz der Industriekultur, der erhalten bleiben möchte. Dieser Leidenschaft widmen sich einige Ehrenamtliche, einer davon heißt Frank von Marillac.
Was wäre Norddeutschland ohne Backstein? Besonders seit der Industrialisierung undenkbar, die roten Ziegel sind unersetzlich für die Bauwerke in dieser Region. Dafür braucht es Lehm, Wasser und Feuer. Per Hand wurde ganz früher produziert, dann kamen große und laute Maschinen. Ein einfaches Arbeiterleben wurde es dadurch trotzdem nicht. Komm' mit auf eine kleine und spannende Zeitreise!
Denkmalretter aus Leidenschaft
Die Ziegelei Pape in Bevern ist vergleichsweise jung. Denn Ziegeleien gab es schon früher. So gab es 1535 eine "Erzbischöfliche Ziegelei" auf dem Gelände. Der Erzbischof von Bremen hatte eine Burg in Bremervörde mit Steinen dieser Ziegelei gebaut. Schade ist, dass die Burg von den Schweden im 30-jährigen Krieg zerstört wurde. Ein Teil der Backsteine - man munkelt die dunklen - wurde im Schwedenspeicher von Stade verbaut.
Johann Pape war Landwirt. Und zu seinem Land gehörte das Gelände, auf dem heute die Lehmkuhle liegt. Pfiffig dachte er sich, dass man daraus vielleicht Steine herstellen könnte. Die Geschichte der Ziegelei Pape begann mit Errichtung einer überdachten Tretbahn, auf der der rohe Lehm homogenisiert wurde: 1840 war das. Dieses älteste Gebäude der Anlage ist heute noch erhalten und wird für Veranstaltungen und für das "Lehmklassenzimmer" genutzt. Später kamen noch der Hoffmannsche Ringofen und das Maschinenhaus dazu. 1974 wurde dann die Produktion eingestellt. In den 1990er Jahren wurde die Ziegelei restauriert und als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Herr von Marillac ist einer der Gästeführer, die Besuchern ehrenamtlich dieses national bedeutsame Industriedenkmal präsentieren. Und er erklärt richtig gut. Mit Leidenschaft ist er dabei und hofft, dass die Geschichte noch lange fortgeführt werden kann. Dafür bedarf es stets genügend ehrenamtlicher Unterstützer und Spenden.
Die Grundlage - Lehmkuhle auf dem Grundstück
Ohne Lehm keine Ziegel, oder laut einem alten Spruch: "Der Brand beginnt in der Lehmkuhle". Auf diesem Grundstück gab es eine Lehmkuhle als ideale Voraussetzung für die Ziegelei, denn das spart Geld und Zeit für den Transport. Heute hat dort der Angelverein sein Revier. Die Lehmkuhle sieht aus wie ein hübscher Teich, den man auf einem Spazierweg umrunden kann. Beim Abbau wurde der Lehm in Loren befördert. Heute gibt es eine Bahn, in der Gäste auf solchen umgebauten Loren vom "Südbahnhof" am Parkplatz zum "Nordbahnhof" an der Lehmkuhle befördert werden. Die Reise ist nicht lang, aber ganz bestimmt lustig.
Die Anfänge - Handarbeit an Tretbahn und Feldbrandofen
Die Anfangszeiten waren besonders mühsam. Die "Lippschen Ziegler“ wurden als Wanderarbeiter für einen Knochenjob angeheuert. Sie malochten von April bis Oktober und waren so lange von ihren Familien getrennt. Sie wohnten im Arbeiterhaus, dem heutigen kleinen Museum. Im Winter war die Produktion nicht möglich, weil die Rohlinge keinen Frost vertragen.
Die Männer fertigten die Handstrichziegel auf den Formtischen rund um die Tretbahn so, wie dies heute noch im "Lehmklassenzimmer" getan wird. Nur sind die Formen für die Lütten kleiner als die Originale, sonst wäre das zu anstrengend.
Nach dem Trocknen wurden die Handstrich-Rohlinge im "Feldbrandofen" gebrannt. Einen solchen Ofen kann man auch heute noch auf dem Gelände der Ziegelei besichtigen.
Industrialisierung - Hoffmannscher Ringofen und Maschinenhaus
Die einfachen Feldbrandöfen wurden 1912 von einem neu erbauten Hoffmannschen Ringofen abgelöst, dessen Brenntunnel und Schürboden heute noch zu besichtigen ist. Durch diesen "modernen" Ofen konnte die Produktionsrate deutlich erhöht werden. Die äußert komplexe Technik dieses Ofens wird bei einer Gästeführung ausführlich erläutert, kann aber auch durch die Beschilderung vor Ort selbständig nachvollzogen werden.
Die durch den Ringofen bedingte hohe Fertigungsrate der Rohlinge wurde durch ein neu gebautes Maschinenhaus sichergestellt. Der alte Herford-Dieselmotor wird bei Führungen oder an Aktionstagen in Betrieb gesetzt. Dadurch können die alten Transmissionen, Walzen und Pressen in Bewegung beobachtet werden.
Auf einer Infotafel wird erläutert, wie der rohe Lehm schrittweise durch das Räderwerk in Rohlings-Form gebracht wird.
Weil es so schön ist, folgen noch ein paar Impressionen.
Nachkriegszeit - Zerstörung und Wiederaufbau
Es ist schaurig, eine Katastrophe: Gegen Ende des 2. Weltkriegs sprengten englische Truppen einen Teil des Ringofens. Für den Wiederaufbau mussten nun Steine aus Feldbrandöfen verwendet werden, doch diese hatten eine mindere Qualität. An den dadurch entstandenen Schwachpunkten des Ofenmauerwerks muss in den nächsten Jahren saniert werden, und ebenso am Schornstein, dem "schiefen Turm von Bevern".
Mir ist wichtig zu erklären, dass die Ziegelei sich nicht bei uns gemeldet hat, um nach Unterstützung oder Spenden zu fragen. Ich schreibe das, weil ich selbst die Ziegelei unbedingt erhaltenswert finde. Durch Eintrittsgelder, bezahlte Gästeführungen oder auch anderweitige Spenden kannst du dazu beitragen, die zur Zeit noch nicht schätzbaren Sanierungskosten aufzubringen. Auch eine Mitgliedschaft im Verein "Ziegelei Pape, Bevern e.V." hilft hier weiter, das Antragsformular kannst du auf der Website herunterladen. Hier findest du auch weitere Hinweise für Besucher, ausführliche Informationen zur Geschichte der Ziegelei, Fotogalerien und vieles mehr.
Und was ist nun mit dem Eimerkettenbagger? Der Name ist spitze, die Vorteile, die er ab 1958 brachte, sind aber noch besser: In der Lehmkuhle konnte der Lehm mit seiner Hilfe deutlich schneller "abgebaut" und in die Loren transportiert werden. Bis 1974 machte er das, der Bagger, dann schloss die Ziegelei und dümpelte so vor sich hin. In den 1990er Jahren wurde die Anlage in ein Industriemuseum umgewandelt und für die Nachwelt erhalten.
Tipps & Wissenswertes
Lehmziegel von Hand herstellen - wie geht das?
- Lehm und Wasser müssen bis zur richtigen Konsistenz verrührt werden.
- Auf dem Formtisch wird ein Brett mit Sand bestreut, der die Funktion des Mehls beim Backen hat: Die Masse soll nicht am Brett kleben. Backe, backe, Ziegel!
- Die Holzform wird in Wasser eingeweicht und auf das Brett gelegt.
- Aus dem Bottich wird die schön geschmeidige Lehm-Wasser-Mischung in die Form gedrückt und mit einem Streichholz abgestrichen. Daher haben die Handstreichziegel auch ihre Riefen.
- Mit einem kräftigen Ruck wird die Form hochgezogen, der Stein darf nicht angefasst werden.
- Das Brett wird mit dem Rohling nun zur Seite gestellt und 2-3 Tage oberflächlich getrocknet.
- Danach wird er aufrecht ins Regal gestellt und trocknet weitere 14 Tage. Die gleichmäßige Trocknung ist wichtig, um eine Wölbung zu verhindern.
Hoffmanscher Ringofen - wie funktioniert der?
- Die Einrücker mussten 6.500 Steine nach einem besonderen Prinzip in der Brennkammer schichten. Und das jeden Tag, da das Feuer täglich auch eine Kammer weiter wanderte. Oben, wo die Kohle hineinkam, also unter dem Loch in der Decke, mussten die Steine so gesetzt werden dass die Kohle gut verrieseln konnte. Der oberste Stein musste später mit der Stange von oben umgeklappt werden können. Beim Einräumen müssen die Zuluftöffnungen geschlossen werden, die Abtrennung zur nächsten Kammer bestand aus Papier. Die Papierschieber bewirkten zuerst, dass das Feuer die richtige Richtung nahm. Sie wurden später durch das Feuer verbrannt, so dass man den viel zu heißen Zugang zur nächsten Kammer nicht öffnen musste. Von den angedrückten Steinen wurde das Papier gehalten.
- Die Brenner füllten oben durchgängig Kohle nach, wenn sie an der Farbe des Feuers sahen dass Nachschub benötigt wird. Immer 18 Öffnungen wurden so kontrolliert. Anhand von Markierungen wussten sie, wo das Feuer ist. Heiß waren nur die Schürdeckel, auf denen schon mal Eier gebraten wurden, ansonsten war es auf dem Schürboden angenehm warm. Später gab es auch automatische Schüranlagen, eine davon wird vor Ort zur Demonstration betrieben. Mit dem Schürhaken konnte der oberste Stein gedreht werden. Da die Steine beim Brennen schrumpfen, konnte der Brenner anhand der Eintauchtiefe erkennen, ob die Steine fertig sind.
- Der Loser-Job ist am Ende, die Steine aus dem Ofen zu holen. Allerdings sind sie dann auf 40° Celsius heruntergekühlt.
Jeden Tag bewegte sich das Feuer eine Kammer weiter, jede Kammer befand sich zwei Tage im Feuer. So kommt man auf 14 Kammern. Die Fuchslöcher unten führen zum Rauchkanal, der wiederum zum Schornstein führt.
Das Feuer braucht Zuluft durch die geöffneten Zugänge. Die Luft erhitzt sich auf 900° Celsius, dann brennt die Kohle. Die Rauchgase haben im Schornstein eine Temperatur von 1.050° Celsius, die Energie wird nachhaltig genutzt indem die Gase in die nächste Kammer von ungebrannten Steinen geleitet wird. So gibt es eine Energieersparnis von 2/3 gegenüber dem Backofenprinzip. Ein Kreislauf, der so durchdacht war, dass Herr Hoffman sich eine goldene Nase verdiente. Das genaue Prinzip (ich mopse die Grafik dazu nicht) mit allen Temperaturen und so weiter wird euch am besten direkt vor Ort bei einer Führung erklärt.
Dachziegel aus Bevern - gibt es die?
In der Ziegelei werden im Maschinenhaus Dachziegel präsentiert, und auf dem Schürboden sind ebenfalls einige besonders schöne Exemplare zu sehen: Sogenannte Feierabendziegel, in die Handwerker beim letzten Objekt des Tages eine Verzierung einritzten. Dachziegel wurden hier aber nie produziert, die Museumsstücke dienen nur der Erklärung.
Wo werden Ziegel/Klinker traditionell gebrannt?
Diese Art der Ziegelherstellung mit dem Hoffmannschen Ringofen ist sehr selten geworden, da die Produktion unheimlich teuer ist. Für Restaurierungen alter Gebäude sind diese Backsteine aber ideal, weil sie eine ganz andere Struktur haben als industriell gefertigte Ziegel. Nur so kann unauffällig saniert und der Charme des alten Gemäuers erhalten werden. Ansonsten hat man entweder sehr viel Geld, oder man begnügt sich mit Riemchen.
In der Nähe gibt es zwei mir bekannte Firmen, die auch heute noch Ringofen-Klinker fertigen:
Firma Rusch in Drochterssen bei Stade
Torfbrand in Nenndorf/Ostfriesland
Ziegel, Backsteine oder Klinker - was denn nun?
Ich zitiere Wikipedia:
"Klinker sind Ziegelsteine, die unter so hohen Temperaturen gebrannt sind, dass durch den beginnenden Sinterprozess die Poren des Brenngutes geschlossen werden. Klinker nehmen kaum Wasser auf und sind sehr widerstandsfähig. Der Name lässt sich etymologisch darauf zurückführen, dass beim Zusammenschlagen hartgebrannter Ziegelsteine/Klinker ein hoher Klang entsteht. Früher wurden Klinker auch als Hartbrandziegel bezeichnet."
Und Backsteine? Das sind Ziegel.
Wenn du jetzt nach oben zum Feldbrandofen scrollst, dann siehst du einen solch stark gebrannten Ziegel, also Klinker (wobei da eigentlich noch der "blaue Ton" ins Spiel kommt, der die hohen Brenntemperaturen ermöglicht, aber das geht nun wirklich etwas weit).
Klinker eignen sich aufgrund der Wasserfestigkeit eher für Sichtmauerwerk, Ziegel überall dort wo aufgrund der Offenporigkeit der Feuchtigskeitsaustausch weiter gegeben sein soll.
5 Fragen an ...
- Kommen Sie gebürtig aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme)?
Nein. - Was ist Ihr persönlicher Lieblingsort im Landkreis?
Osteniederung und Vörder See. - Was schätzen Sie an den Menschen in der Region besonders?
Gelassenheit und Zuverlässigkeit. - Was macht die Region lebens- und liebenswert?
Ruhe und ein weiter Himmel. - Sind Sie eher Team Aktiv, Natur, Kultur oder Auszeit?
Team Aktiv.
Ziegelei Pape
Malstedter Str. 38
27432 Bremervörde
Tel:
04767 333600
E-Mail:
info@ziegelei-bevern.de
Besichtigungen sind von Mai bis September am 1. und 3. Sonntag im Monat von 14-17 Uhr möglich. Führungen für Gruppen jederzeit nach Absprache. Die Ziegelei hat zusätzlich am Tag des offenen Denkmals und am Tag der Industriekultur geöffnet.
Regelmäßig finden Veranstaltungen in der Ziegelei statt. Die Räumlichkeiten sind aber auch für eigene Veranstaltungen buchbar, im besonderen Ambiente.
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