Die Bewahrung des Eckes Hus
Zeitreise in die Moderne anno 1560
Manche Kleinode verstecken sich gerne, müssen erst entdeckt werden. "Eckes Hus Ostereistedt", das älteste Bauernhaus im Landkreis Rotenburg (Wümme), ist solch ein Juwel, das sich unauffällig am Dorfrand befindet. Leicht verschlafen und ziemlich geheimnisvoll steht es da, das uralte, aber für damalige Zeiten moderne Bauernhaus. Dieses Museum ist wirklich einmalig!
Bauernhaus-Retter und Museums-Gründer
Für mich ist es fast unvorstellbar: Man schrieb das Jahr 1994, als der letzte Bewohner das Haus verlassen musste. Rund 430 Jahre nach dem Bau des Hauses! Der ehemalige Zevener Assistenzarzt Ulrich Klages "entdeckte" es, und machte die Mitglieder der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB) darauf aufmerksam. Ehrenamtliche Bauernhaus-Retter, darunter Dr. Wolfgang Dörfler und Hans-Hermann Bohling, retteten zuerst das Dach, und dann den Rest. Beide sind auch heute noch Haupt-Kümmerer.
Die Vorgabe der Verpächter ist, dass das Haus nur eine geringe museale Nutzung aufweisen darf. Es wurde zu einem Bauernhaus, das praktisch konserviert wurde und Elemente verschiedener Epochen erhält. Keine Schrifttafeln, keine Reduktion auf eine bestimmte Zeit wie in Museumsdörfern, kein Sammelsurium an Exponaten wie in Heimathäusern. Und das macht dieses Bauernhausmuseum so einmalig. Es handelt sich um ein echtes Denkmal, auch wenn es damals einiger Anstrengungen bedurfte, den Denkmalschutz von einer Unterstützung zu überzeugen. Umso größer ist die Freude, dass es erst in diesem Jahr mit der Denkmalplakette des Landes Niedersachsen ausgezeichnet wurde.
Dr. med. Dr. phil. Wolfgang Dörfler ist Arzt im Ruhestand sowie Historiker und Bauforscher aus Leidenschaft. Einige historische Gebäude hat er schon gerettet, und eines davon ist "Eckes Hus". Zusammen mit vielen Vereinsmitgliedern und weiteren Unterstützern, finanziert aus privaten Spenden und öffentlichen Förderungen, hat er Großartiges geschaffen.
Wenn auch du in diesem wunderbaren Haus auf Zeitreise gehen möchtest, rufe einfach an und vereinbare einen Termin. Dann kannst auch du dich von dem Ort faszinieren lassen, den Geschichten aus alten Zeiten und Erklärungen zur historischen Bauweise lauschen. Alle Daten findest du unten im Beitrag. Das Außengelände ist übrigens immer offen zugänglich.
Nun stellt sich Herr Dörfler aber erst einmal selbst vor:
Lange Geschichte, kurz skizziert ...
Etwa um 1560 wurde das Niederdeutsche Hallenhaus in Zweiständerbauweise von einem wohlhabenden Bauern errichtet. Es war die Zeit der Modernisierung des Hausbaus auf dem Lande: Der große Holzeinsatz und die Qualität, mit der die Zimmerleute gearbeitet haben, führten dazu, dass es bis heute erhalten ist. Was für ein Glück, dass der Erbauer so in die Zukunft gedacht hat. Damals groß, modern und mit Weitblick, kommt es mir heute sehr einfach und kalt vor. Kein Kuschelsofa, kaum Privatsphäre bei den vielen Bewohnenden - ohne Umbau wäre es für mich kein Wohntraum. So gerne ich daraus aber ein "Schöner Wohnen"-Projekt machen würde: es ist genau richtig, so etwas nicht zuzulassen.
Über die Jahrhunderte wurde das Fachwerkhaus natürlich umgebaut, vergrößert, modernisiert - aber nie komplett im Charakter verändert, nie kaputt saniert. Der Kern des Hauses ist noch "ganz der alte": Die Maße wurden bestimmt durch die Länge der Eichenstämme, die zur Verfügung standen, denn diese wurden komplett verbaut. Rund 200 Jahre hatten die Eichen zum Zeitpunkt ihrer Fällung bereits auf dem Buckel, um bis heute die große Last der Hauskonstruktion zu tragen.
Und woher kommt der Name "Eckes Hus"? Das ist nicht genau bekannt. Eine Deutung ist, dass das Haus an einer Ecke des Dorfes lag. Mir gefällt diese simple Erklärung.
Die Giebel sind rund 100 Jahre jünger als der erste Bau, und die Außenlängswände sind wohl nur 100 Jahre alt. Auch an den erneuerten Fenstern siehst du, dass nicht rückbauend eingegriffen wurde. So entsteht, gerade am Hintergiebel, ein ästhetisches "Sammelsurium" von Materialien.
Reformation und Aufklärung, die Bauernbefreiung, Deißigjähriger Krieg und zwei Weltkriege, Industrialisierung und Kolonialismus, die Teilung Deutschlands bis zur Wende: was hat dieses Haus nicht alles erlebt und überdauert. Wenn Wände sprechen könnten, was würden sie alles berichten? Und was würden die Bäuerinnen erzählen, die Bauern, Mägde und Knechte, die alle schon in diesem Haus gewohnt und gearbeitet haben?
Die Diele - Wohnung für Tiere und Gesinde
In der Diele beeindrucken vor allem die alten mächtigen Eichenbalken, an denen die Größe des ursprünglichen Hauses erkennbar ist.
Hier steht allerlei herum: Alte Maschinen im ehemaligen Kuhstall, Tröge aus Holz und Stein, jede Menge Zeug aus alten Zeiten, dazwischen Kutschen. Die wurden gezogen von Pferden, die in den Boxen neben dem Vorschauer lebten. Durch eigene Türen ging es direkt nach draußen, ohne Umweg durch die Diele. Der Boden aus gestampftem Lehm, ganz schön fußkalt auf Dauer.
Die Knechte und Mägde lebten oft direkt in der Diele. Entweder schliefen sie irgendwo in einer Ecke, oder die männlichen Arbeitskräfte nächtigten in einer Knechtbutze unter der Treppe, die in Eckes Hus nachgebaut wurde. Mir ist das "Schrankbett" eher bekannt als Alkoven, alles meint aber das Gleiche. Es passten sogar mehrere Menschen hinein, auf Stroh gebettet - manchmal recht oll - schliefen sie halb sitzend. Das war gesünder, unter anderem wegen der Lungenkrankheiten durch Rauch, Staub, Zugluft. Und eng beisammen war es wärmer ... Das Holz schützte ein wenig, auch vor Viechern und allem, was vom Dachboden rieseln konnte. Und weil es dort frostfrei und dunkel war, wurden die Kartoffeln oft unter der Liegefläche eingelagert.
Apropos Rauch: Es handelt sich um ein Rauchhaus, einen Überdachschornstein gibt es nicht. Über dem Rauch, der hier aus den Ofenrohren kam, wurden beispielsweise Schinken haltbar gemacht. Wolfgang Dörfler hatte das Glück, dass die letzte Bewohnerin ihm einen Schinken selbst räucherte. Eine kulinarische Offenbarung war es wohl nicht, eher "authentisch", aber eine spannende Erfahrung.
Auf dem Dachboden wurde in der Zeit um 1800 ein Schüttboden errichtet. Dort wurde das ausgedroschene Getreide mäusesicher gelagert. Die Flaschen, die hier zusammengestellt wurden, sind Fundstücke aus dem Haus.
An den Seiteneingängen befand sich zeitweise eine Waschküche und auf der anderen Seite eine Toilette. Bevor es dieses "WC" gab, musste man sicher raus, auf den Misthaufen oder ins Klohäuschen.
Ganz früher gab es keine Trennung zwischen Diele und Flett. Die Scherwand ist wohl rund 150 Jahre alt. Auch wenn die Tiere das Flett, bevor es die Scherwand gab, mit "geheizt" hatten: ich finde die Idee der Trennung großartig. Im Flett wird es dadurch deutlich gemütlicher.
Flett und Kammern - Wohnung für die Bauern-Familie
Das Flett ist der Mittelpunkt des Hauses, mein Lieblingsraum. Nicht nur, weil dort auch die Küche war und ich ja so gerne esse. Obwohl: Ob das damals immer so lecker war? Auf jeden Fall ist der Raum besonders bunt, das blau-rote Muster entspricht der ältesten Gestaltung. Unter Mengen an Tapeten wurde sie freigelegt. Das - nach meinem Geschmack mittelmäßig schöne - blaugrün in den Seitenbereichen ist einer echten Farbwahl aus den späteren Zeiten des bewohnten Hauses nachempfunden.
Im Mittelpunkt ist die - nachgebaute - historische Herdstelle im Boden zu sehen. Damals war sie höher, aber jetzt wäre dies eine Stolperfalle, die ich sofort ausprobiert hätte. Ebenerdig ist es besser, aber auch so würde die Herdstelle funktionieren. Darüber befindet sich der Herdrähm, der aus Fischerhude in das Haus gekommen ist. An ihm hing der große Topf. Später wurde anders gekocht, beispielhaft sind im Haus zwei Fünf-Platten-Öfen errichtet.
In der jetzigen Form war das Flett zuletzt nicht mehr eingerichtet. Die niedrigeren Räume links und rechts waren zeitweise abgetrennt, die Butze ist beispielhaft eingebaut. Diese hat eine Besonderheit: Das Selsinger Zwiebelmuster. Kennst du nicht? Na sowas ... Es wurde in ein Stück Vollholz geschnitzt, die Türen wurden nach einem Originalfund nachgearbeitet. Was für ein Aufwand.
Ein innenliegendes Original-Fenster an der alten Herdwand lässt den Blick in eine der beiden heutigen Stuben schweifen. Eine Stube hat einen Ofen, eine Kammer nicht. Erst später wurde das Kammerfach (das war der unbeheizte Bereich hinter dem Flett) in vier Räume aufgeteilt, so sah es nicht immer aus. Die beiden mittleren sind kleine Durchgangs-Kammern. Heute sind diese mit allerlei Dingen bestückt, aber nicht wirklich eingerichtet.
Der Webstuhl kommt tatsächlich aus dem Haus. An ihm hat die letzte Weberin aber an einem anderen Ort gearbeitet. Bestimmt war es dort wärmer. Ein Foto der Dame siehst du vor Ort am Webstuhl. Nun ist er zurück. An ihm wurde Flachs zu Leinentuch verarbeitet. Und der Toilettenstuhl? Ist wahrscheinlich der älteste Stuhl des Landkreises, denn er besteht noch aus gespaltenen Hölzern.
Magie und Zauber im Bauernhausmuseum
Eine Kammer verbirgt einen besonderen Schatz. Die ganze Kammer ist geheimnisvoll, aber hast du schon mal was von Zauberbohrungen gehört? Ich kannte das Wort nicht, das ist aber auch eine Wortschöpfung von Ulrich Klages, dem Bauforscher. In Bohrungen in den Konstruktionshölzern wurden früher magische Reliquien getan, die Löcher wurden mit Holzpflöcken geschlossen. Es gab Zettel, verschiedene Hölzer, Eier und ähnlich. Die Bedeutung? Das ist ein Rätsel. Ist es nicht schön, Dinge auch einfach mal nicht erklären zu können?
Auf wahrscheinlich alle anderen Fragen bekommst du eine Antwort im Rahmen einer Führung. Was ist das Besondere am Vorschauerbalken? Was ist an den drei Meter langen Granitblöcken bemerkenswert? Wo befindet sich ein Bilegger? Auf jede Frage gibt es eine Antwort. Und zum Nachlesen existiert ein Buch über Eckes Hus, geschrieben und bebildert von Wolfgang Dörfler. Es enthält sogar eine englische Übersetzung. Frage ganz einfach bei der Anmeldung danach. Im Online-Versandhandel wirst du es nicht finden.
5 Fragen an ...
- Kommen Sie gebürtig aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme)?
Nein, ich bin 1983 zugezogen. 1980 hatte ich ein denkmalgeschütztes Bauernhaus gekauft und soweit renoviert, dass ich mit meiner Frau und unserem Sohn dort einziehen konnte. Mein Großvater mütterlicherseits stammte aus Lauenbrück. - Was ist Ihr persönlicher Lieblingsort im Landkreis?
Sicher eine ganze Reihe. Unser Haus mit Garten und Gartenhaus (Bibliothek) in Hesedorf, Der Golfplatz in Emmen (wenn wenige Besucher dort sind), verschiedene Biotope, je nach Jahreszeit. - Was schätzen Sie an den Menschen in der Region besonders?
Dass mir die Menschen überwiegend freundlich begegnet sind, als Patienten war mir die fehlende Anspruchshaltung sehr angenehm. - Was macht die Region lebens- und liebenswert?
Ihre Weite, der Abstand also, der damit automatisch gegeben ist und die vielen wenig berührten Landschaftspartien. - Sind Sie eher Team Aktiv, Natur, Kultur oder Auszeit?
Das sind für mich keine wirklichen Alternativen, und was soll "Auszeit" bedeuten?
Eckes Hus Ostereistedt
Steinkampsweg
27404 Ostereistedt
E-Mail:
hesedoerfler@web.de
Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen. Termine auf Anfrage.
Dr. Wolfgang Dörfler, Telefon 04286 1456 oder 0171 9908693
Hans-Hermann Bohling, Telefon 04285 1534
Das System zeigt die Lage nicht ganz richtig an. Es ist das Haus, wo gegenüber die Schmiedestraße abzweigt. Ganz genau: 53.299184147562215, 9.175319382139513.
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